|
|
Der Mann, den sie sich als Opfer ausgesucht hatte,
war etwa fünfzig. Deutscher, vielleicht auch
Schweizer. Er sah gut aus für sein Alter. Volles Haar
mit grauen Schläfen, Sonnenbrille, markantes Kinn,
Ganzjahresbräune. Segelschuhe und weiße Jeans.
Ein lässiges Hemd aus schwarzer Wildseide konnte
die durchtrainierten Schultern nicht verbergen. Die
limitierte Platinuhr an seinem Handgelenk wäre einem
Amateur sicher nicht aufgefallen. Aber Barbara
war Profi. Sie war erst vierundzwanzig, sie war
die Beste.
Automatisch streckte und krümmte sie die Finger,
um ihre Beweglichkeit zu steigern. Barbara war
nicht sehr groß, knapp eins sechzig. Schmal und
dunkelhaarig. Sie fiel hier nicht auf. Geschmeidig
schob sie sich wischen den Schaulustigen hindurch,
um Mr. Platin nicht zu verlieren. Plötzlich tanzten kleine Funken vor ihren Augen. Sie blieb
stehen. Das Atmen machte ihr Mühe. Die Luft war gesättigt von Diesel, Feuerwerkschemie, billigen
Parfums und frisch frittierten churritos.
Das war keine gute Basis. Barbara konnte sich
nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal richtig gegessen
hatte. Aber es war nicht nur der Hunger, sie
hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Sie folgte diesem
Mann jetzt schon zehn Minuten, aber das erregende
Prickeln, mit dem ihr Jagdinstinkt normalerweise
auf eine so viel versprechende Beute reagierte,
blieb aus. Irgendetwas stimmte nicht.
Sie überhörte die Warnsignale. Sie brauchte das
Geld dringend. Mehr als dringend. Sie musste diese
einmalige Gelegenheit nutzen.
Es war der 23. Juni, San Juan. Für Barcelona die
größte Fiesta des Jahres. ...
|