Irene Rodrian

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Gleich mit Ihrem ersten Krimi haben Sie den Edgar-Wallace-Preis des Goldmann-Verlages gewonnen. Dieser Krimi entspricht vom Aufbau weniger dem Ihrer anderen Bücher. Wie kommt dies?

Irene Rodrian: Um ehrlich zu sein, ich habe Tod in St. Pauli in gewisser Weise berechnend auf den Preis hin geschrieben. So als HÄTTE es ein Mann geschrieben. Ich dachte, so MÜSSTE ich einen Preis gewinnen. Was ja auch stimmte.

Ihnen wurde unterstellt, Ihr erstes Buch nicht selbst verfasst zu haben. Hatte Goldmann dennoch Interesse an weiteren Romanen?

Irene Rodrian: Ich hatte bei Goldmann allein durch die Teilnahme am Preis einer Option auf weitere drei Romane zugestimmt. Aber ich war extrem verärgert durch die Reaktion des Verlegers: Das Buch müsse ein Mann geschrieben haben! und das Preisgeld wurde von 5000,-- auf 1.500,-- Mark redurziert, die Differenz wurde dem nächsten Preis zugeschlagen, damit sich ein "richtiger Schriftsteller" beteiligen könnte/wollte. Das abgelehnte zweite Manuskript wollte Rowohlt ja unbedingt haben. Ich wollte zu Rowohlt.

Jürgen Roland sicherte sich die Filmrechte am "Tod in St. Pauli". Wie kam es dazu?

Irene Rodrian: Kurz nach dem Erscheinen von Tod in St. Pauli bekam ich ein Telegramm von Jürgen Roland. Auf Formentera. Die Insel schlummerte damals noch im 19. Jahrhundert. Es gab keinen Strom, aber die Kirche hatte einen Generator, mit dem sie auch die nächste Kneipe versorgte. Das Café Central. Dort gab es sogar ein Telefon. Dort wollte mich Jürgen Roland anrufen. Jürgen Roland war der absolut Größte. Der Erfinder von Stahlnetz, der Regiseur von Davidswache, der einzige, der wirklich Krimis inzenieren konnte. Ich saß im Café Central und wartete nervös auf den Anruf. Die Fliegen summten um nackte Birnen herum. Lauwarmer Sherry im Glas. (Kein Eis, keine Kühlschränke). Da, der erste Anruf. "Gnädige Frau, hier ist..." unterbrochen. Die Telefonleitung lief von Ibiza her über den Meeresboden. Warten. Neuer Anruf. "...ich möchte gern...." wieder unterbrochen. So ging das über Stunden. Ich schaffte es nur ab und zu "ja" zu sagen. Das kam wohl cool rüber. Jendenfalls wurden die Filmrechte für eine erstaunlich hohe Summe verkauft, nur der Film entstand leider nie.

1969 erschien dann "Bis Morgen Mörder" bei Rowohlt, wo bis dahin schon Hansjörg Martin und Friedhelm Werremeier (damals: Jakob Wittenburg) veröffentlichten. Wie war der Empfang für die Krimidame Deutschlands?

Irene Rodrian: Ich traf die anderen Krimiautoren Martin, Werremeier und da auch Molsner zum erstenmal in Baden Baden, in der Traube (schaube wem), zusammen mit Flesch. Der Empfang war überaus herzlich, es war bei uns allen sowas wie Liebe auf den ersten Blick und wir schworen uns damals, immer zusammenzuhalten, uns gegenseitig zu helfen und niemals öffentlich etwas schlechtes über einen der anderen zu sagen. Und das haben wir durchgehalten.

Werremeier berichtete von Wochenend-Treffen mit dem damaligen Chef der "Rowohlt-Thriller" Flesch in einem Reinbeker Hotel, wo über das Buch gesprochen wurde. Haben diese Treffen auch mit Ihnen stattgefunden und - wenn ja - für wie hilfreich haben Sie diese erachtet?

Irene Rodrian: Flesch war ein exzellenter Kenner der gesamten Anglo-Krimiliteratur. Er engagierte sich leidenschaftlich für seine berühmte schwarze Reihe, er hatte Charme, Witz und Sprachgefühl. Ich glaube, wir alle haben viel von ihm gelernt. Unsere Arbeitstreffen fanden in der ehrbaren Bismarckmühle statt, der Wein floss, und mit meiner langsam wachsenden Krimierfahrung wurden unsere Dispute immer heftiger.

Ende der siebziger Jahre gab es dennoch eine größere Unzufriedenheit bei den Krimiautoren der ersten Stunde (als da noch wären: Hanjörg Martin, Friedhelm Werremeier, -ky (Pseudonym von Horst Bosetzky) und andere). Wie haben Sie diese Situation empfunden und können Sie "Unkundigen" kurz berichten, um was es sich damals gedreht hatte.

Irene Rodrian: Wir schrieben Krimis in einem Land, das dieses Genre tief verachtete und nicht wahrnahm. Als Taschenbücher im Original. Schlecht bezahlt, null beworben. Es hieß damals, Rowohlt sei eben eine teure Visitenkarte. Sehr teuer, vor allem für Autoren, die keinen wohldotierten Neben- bzw. Hauptjob hatten. Ich schrieb zwei Krimis im Jahr, um meinen Namen im Programm zu halten. Das ist auf Dauer tödlich. Wir hatten unsere Fans, aber wir wollten auch öffentlich wahrgenommen werden. Wir verlangten ein neues Format für die Krimis. Der Verlag bot uns nach langen Verhandlungen eine halbherzige Hardcovervariante an, (ich nannte sie nur die kleine klerikale Lyrikreihe) sie floppte logischerweise.

Wurden/Werden Sie manchmal als Krimiautorin erkannt?

Irene Rodrian: Naja, weniger. Einmal hab ich ein Taxi bestellt. Für Rodrian, 3. Stock. Das Taxi kam, ich nannte dem Fahrer eine neue, mir völlig unbekannte In-Kneipe. Der Fahrer: "Sind Sie die Krimiautorin Irene Rodrian?" Ich, leicht verlegen: Neinnein, ich bin die Schwester-" Er: "Ahja, drum, weil, wenn sie die Irene Rodrian wären, dann würden sie die Kneipe ja kennen."

Wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie in einer vorangegangen E-Mail erwähnt, dass Sie am Frauenkrimipreis teilgenommen hatten. Inwieweit denken Sie, dass der Krimi heutzutage besser etabliert ist in Deutschland?

Irene Rodrian: Hab nie am Preis teilgenommen. Ich war nur als Gast dabei. Heute ist der Krimi fest etabliert. Sowohl im Fernsehen als auch im Buch. Und vor allem AutorINNEN. Er ist bekannt, er ist in , er verkauft sich. Der Unterschied von U und E bleibt, damit auch eine gewisse Verachtung, aber Krimi ist eine feste Größe geworden. Früher haben mir Leute bei Lesungen oft gesagt: Eigentlich lese ich keine Krimis, aber Ihre sind anders... Heute sind diese Grenzen verwischt.

Sie haben auch für das Fernsehen geschrieben (Tatort: Mitternacht oder kurz danach, Ein Fall für zwei) und auch eine Serie: Sophie - Schlauer als die Polizei. Ich habe kürzlich die Wiederholungen gesehen und mich gefragt, ob es neue Folgen geben wird.

Irene Rodrian: Sophie, schlauer als die Polizei mit Enzi Fuchs, Martin Benrath und Jörg Hube war sehr erfolgreich, sowohl bei den Einschaltquoten als auch bei den Rezensionen. Eine Fortsetzung wird es wohl nie geben.

Im Krimi "Ein bißchen Föhn und Du bist tot" haben Sie mit die genialste Einleitung geschrieben, die ich kenne (Anm. d. Red.: Ganz unten ist ein Textausschnitt davon zu finden). In "Vielliebchen" erzeugen Sie eine dichte Atmosphäre durch kurze, treffende Sätze. Dies um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ist es schwer, solche Einleitungen zu formulieren? Wie wichtig sind Ihnen solche starken Einleitungen?

Irene Rodrian: Jetzt wollte ich die von Ihnen 'genial' (danke!) genannte Einleitung von "Ein bißchen Föhn..." nachlesen, habe das Buch aber leider nicht hier. Schade.
Ja, der Anfang, der erste Satz ist ungemein wichtig. Ob ich ein Buch lese oder schreibe. Damit fängt ja alles an. Manchmal steht der Anfang vor allem anderen schon fest, manchmal sitze ich lange und grübel und verwerfe und grübel...

Wie sieht ihr normaler Arbeitstag aus?

Irene Rodrian: Ich bin ein Nachtmensch. Morgens dauert es, bis mein Getriebe läuft. Ich stehe also früh auf und geh' das Ganze langsam an. Frühstück, Zeitungen lesen, dann die Post, die E-Mails... Ich arbeite bis der Kopf schlapp macht. So etwa 15 oder 16°° Dann eine kleine Siesta. Und der Abend ist frei. Für Freunde, Kino, Kabarett, Kneipen etc. Wenn ich allerdings an einem Roman sitze, schotte ich mich ziemlich vom 'wirklichen' Leben ab.
Anfangs kämpfe ich gegen das Buch, und nichts will so wie ich das will, aber nach einiger Zeit übernehmen die Protagonisten auch einen Teil an der Arbeit, und der Roman ist das wahre Leben...

Was schreiben Sie lieber? Drehbücher oder Romane?

Irene Rodrian: Romane. Drehbücher sind Handwerk. Ich kann es, es macht Spaß, und ich bekomme gutes Geld dafür. Aber die Regie führt ein anderer.

Seit dem letzten Roman "Strandgrab" bis zur Veröffentlichung ihres neuen Werkes "Meines Bruders Möderin" sind 10 Jahre vergangen. Wie kam diese lange Pause zu Stande?

Irene Rodrian: Es gab viele Gründe. Unter anderem TV. Z. B. Zeichentrick. Etwas, das mich schon immer ungemein fasziniert hat. Mecki und seine Freunde & Pepolino . Und dann meine absolute Traumserie nach Mrs-Marple-Art, Sophie, schlauer als die Polizei .

War es nach einer solchen Pause schwer, wieder einen Verleger für sich zu finden?

Irene Rodrian: Das war ein Teil der zehn Jahre.

Sie haben, wenn ich mich recht erinnere, drei "Inselkrimis" geschrieben. Finderlohn, Über die Klippen, Strandgrab. Wird es einen weiteren Inselkrimi geben? (Zumindest Dagmar dürfte ein Interesse haben, mal auf Mallorca zu arbeiten. ;-) Aber Barcelona ist natürlich auch ok. :-))

Irene Rodrian: Warten wir's ab. Ich kann mir noch viel mehr vorstellen!

Wenn ich die Llimona5-Homepage richtig verstanden habe, dann werden Anna und Barbara in Ihren nächsten Büchern mit von der Partie sein?

Irene Rodrian: Richtig. Die Idee ist 5 (fünf) Privatdetektivinnen. Nur konnte ich im ersten Buch noch nicht alle gleichwertig zu ihrem Recht kommen lassen.

Wann kann man mit Ihrem nächsten Buch rechnen?

Irene Rodrian: Wir hatten das Frühjahr 03 eingeplant, aber den Termin hab ich nicht geschafft. Herbst 03, das ist realistisch.

Sie wurden mit Patricia Highsmith verglichen. Wie gefällt Ihnen der Vergleich?

Irene Rodrian: Sehr gut. Ich bin geschmeichelt. Obwohl ich nie ganz so böse sein kann [wie die Highsmith], ich liebe die Menschen zu sehr...

Das waren sehr schöne Schlussworte, Frau Rodrian. Das Buecher4um dankt Ihnen für dieses interessante Interview!

Renate!

Buecher4um 2002 -> Quelle

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